Friederike Caroline Neuber (1697-1760) war eine privilegierte Prinzipalin und Schauspielerin und ihre Leistung ist in der Theatergeschichte bekannt. Sie schrieb als Schauspieldramatiker ca. 20 originelle Vorspiele. Dennoch sind diese weder allgemein bekannt noch bisher gründlich untersucht worden. In meiner Abhandlung möchte ich die Idee und die charakteristischen Züge ihrer repräsentativen Vorspiele und Lustspiele analysieren und über die Allegorie und Unterhaltung in diesen Stücken im damaligen Kontext betrachten.
Johann Christoph Gottsched wollte aus dem deutschen Theater ausländische komische Figuren beseitigen, um die Bühne zu reinigen. Er näherte sich 1730 Johann Neuber und der Briefwechsel zwischen den Neubers und Gottsched dauerte 10 Jahre. Johanns Brief vom 17. September 1730 aus Hannover zeigt, wie sehr er von Gottsched beeinflusst wurde und die Neubers nach einem erhabenen Literaturtheater strebten. Aus Neubers Zeilen lässt sich auch ablesen, wie wichtig der Schutz der Adelshöfe für Wanderbühnen war. Die Glückwünsche Ode zum Geburtstag (30. April 1736) des Herzogs Carl Friedrich zu Holstein wurde vorgetragen und ein neues Vorspiel aufgeführt. Neuberin strebte am Anfang nach der deutschen comédie française. Im Brief vom 24. Dezember 1736 berichtete Johann aus Straßburg an Gottsched, dass die Truppe ein neues Vorspiel vor den Hofleuten im Komödienhaus gezeigt habe.
Die Neuberin verfasste zwischen 1734 und 1737 allegorische Vorspiele als ihr neues Theatermanifest, in denen sie leidenschaftlich nach der Theaterreform strebte. „Ein deutsches Vorspiel“ (1734) ist ihr erstes eigenes Vorspiel in griechischer Manier. Der Parnaß ist nichts anderes als eine Allegorie auf die literarische Szene in Leipzig. Mit dem hohen Manifest treten griechische Musen und Götter in der Allegorie auf. Ihr zweites Vorspiel „Die von der Weisheit wider die Unwissenheit beschützte Schauspiel-Kunst“ (1736) ist ein Vorspiel mit stärkerer Aufklärungsintention. Alle Personen sind allegorische Figuren. Die Neuberin erhielt nun den Schutz von Herzog Karl Friedrich. Hannelore Heckmann meint, dass sich zwischen dem Leipziger Vorspiel und dem Straßburger Vorspiel das mittlere Lübecker Vorspiel als das schillernde herausstellt und wie ein Regelbuch für das Theaterpublikum sei. Die Neuberin spielte die Hauptrolle ‚Schauspielkunst‘. In der Szene mit dem ‚verderbten Geschmack‘, ‚Missbrauch‘, ‚Unwissenheit‘ und ‚Pöbel‘ werden die Laster sowie der falsche Geschmack des Publikums mahnend geäußert.
Die Neuber-Truppe wollte voller Stolz, mit Trieb und Wissenschaft die deutschen Schauspiele verbessern. Im Straßburger Vorspiel, d.h. „Die Verehrung der Vollkommenheit durch die gebessertern deutschen Schauspiele“ (1737) werden das Trauerspiel, die Regel und die Tugenden der Menschen in den allegorischen Rollen von Verstand, Fleiß und Liebe dargestellt. Hier geht es wieder um die Schauspielkunst und das Trauerspiel. Die Schauspielkunst fordert das Trauerspiel dazu auf, dass es mehr Schauspielpraxis von d’Aubignac lernen solle. Fischer-Lichte definiert das Vorspiel als Kurzform des Dramas und meint, dass ihre Spiele als Huldigung zum programmatischen Vorspiel wandern.
Den Höhepunkt der Freundschaft und Verbundenheit zwischen den Neubers und Gottsched stellte das Vorspiel zur Harlekinverbannung (1737) dar. In den wichtigen Wendepunkten zeigte die Neuber-Truppe ihren Standpunkt mit den parodierten Vorspielen. Trotz der Theaterreform verlor die Truppe das Publikum und ging Bankrott. Dabei spielte die Neuberin das Vorspiel „Cato-Parodie“ (1740), das Gottscheds „Der sterbende Cato“ verspottete.
Nach der Trennung von Gottsched zeigte sie nicht mehr das monotone Theatermanifest, sondern moralische Vorspiele zu den tugendhaften Themen. Reden-Esbeck weist darauf hin, dass man in ihren fragmentarischen Vorspielen Einflüsse von Gottsched bemerkt, aber auch in den Kerngedanken zum Theater Ähnlichkeiten mit Lessing beobachten kann.
Es ist bemerkenswert, dass Neuberin in ihren Vorspielen Schäfer-Motive, Festlichkeit und Huldigungsworte bevorzugte. „Das Schäferfest“ und „Die Herbstfreude“ werden beide in das Lustspiel „Das Schäfer Fest oder Die Herbstfreude“ (1753) integriert. Das ist ein fünfaktiges Drama mit zwei Schäferfamilien. Das Liebesdreieck vor der Hochzeit und eine Episode mit einem verlorenen Schaf sind Konfliktelemente. Die Komik liegt vor allem in den witzigen Reden von vier lustigen Dienerfiguren. Mit dem vierten Auftritt des V. Aufzugs ändert sich die Stimmung der Handlung: nach dem feierlichen Schäferfest beginnt nämlich die Hochzeit. Anke Detken weist mit Recht darauf hin, dass das Stück eigentlich aus zwei anderen Lustspielen entstanden sei. Interessanterweise folgt danach die Herbstfreude. Hier beginnt wieder das allegorische Nachspiel, in dem zur Hochzeit und Ernte Segenswünsche geäußert werden. ‚October‘ ist der Gott der Ernte, der zur Hochzeit erscheint. ‚Verehrung‘, ‚Treue‘, ‚Liebe‘ und ‚Freude‘ sind die symbolischen Tugenden der Ehe. Alle Figuren tragen Schäferkleidung. In den Worten Octobers wird die aufklärerische Intention kurz und bündig dargelegt. Auf Wunsch von Maria Theresia wurde das Lustspiel an ihrem Namenstag, dem 15. Oktober 1753, in Wien aufgeführt. Die Neuberin erweiterte ihr Schäferspiel vom allegorischen Spiel zum aufklärerischen Lustspiel, damit sie sowohl Hofleute als auch bürgerliches Publikum mit Vernunft belustigen konnte.