Dieser Aufsatz behandelt eine Figur: die Cardenios in den beiden obengenannten Werken.
In Gryphius’ „Cardenio und Celinde“ geht es um einen Studenten, der leidenschaftlich und frevelhaft handelt, und um seine Bekehrung. Auch wenn es in diesem Werk keine ausdrückliche Kritik gibt, kann die in Bononien spielende Rahmenhandlung eine gewisse Skepsis gegenüber der Vernunft ausdrücken.
Arnim bearbeitete Gryphius’ Drama in seiner Version „Halle“. Er hielt Halle für den passenden zeitgenössischen Schauplatz. Im Gegensatz zu Gryphius treten in diesem Werk viele Studenten auf, und viele Szenen handeln von deren Verhalten und Gewohnheiten. Das Bild der Studenten wird im Allgemeinen in einem negativen Licht dargestellt.
Der Cardenio in „Halle“ ist zwar kein Student im eigentlichen Sinne, sondern Privatdozent, aber die ganze Inszenierung suggeriert, dass er ein Student ist. Andererseits fehlen hier die Beziehungen von Stand, Familie und Verwandtschaft, die in Gryphius’ Werk aufgenommen wurden, als Hintergrund für die Hauptfigur.
Und obwohl ein großer Teil von Arnims Drama den psychologischen Haltungen der Figuren gewidmet ist, vollzieht sich bei Cardenio im 19. Jahrhundert keine Bekehrung, wie dies in Gryphius’ Werk der Fall ist. Aufgrund seiner Herkunft, die am Ende des zweiten Teils („Jerusalem“) enthüllt wird, ist Cardenios Haltung im Abschnitt „Halle“ von Hochmut geprägt, sodass man hier ironische und kritische Aspekte erkennen kann.