Dass die Idee der Erlösung in Richard Wagners Der fliegende Holländer (UA 1843) zentrale Bedeutung erlangt, ist offensichtlich. Selten jedoch erscheint diese Idee, die Wagner im Holländer konzipiert und in der Partitur beschrieben hat, in der Inszenierungspraxis des Werks konkret auf die Bühne gebracht. Während andere Musikdramen Wagners, wie etwa Der Ring des Nibelungen oder Tristan und Isolde, sowohl einem katastrophischen als auch einem verklärenden – sich der Zukunft, ja einer Utopie öffnenden – Schluss inszenatorisch Raum geben und somit ganz gegensätzliche Varianten der Darstellung ermöglichen, münden Holländer-Inszenierungen zumeist in eine Katastrophe oder enden in Ziellosigkeit. Innerhalb der Inszenierungen, die am Schluss des Holländers das katastrophische Moment hervorkehren, entfaltet sich ein weites Spektrum an Darstellungsformen. So wird Negativität sinnfällig, indem der Holländer, einen vorwurfsvollen Blick auf Senta werfend, in ein schwarzes Meer sich entfernt, während sie am Strand zurückbleibt (Py, 2015), oder indem ihr Vater sie ersticht (Schlingensief, 2007) oder der Holländer und Senta vom eifersüchtigen Nebenbuhler Erik ermordet werden (Kušej, 2010). In weiteren Inszenierungen begeht Senta Suizid (Kupfer, 1978; Homoki, 2012), verübt einen Terroranschlag (Konwitschny, 2006) oder der Holländer wird von Sentas Amme erschossen (Tscherniakow, 2021). Es drängt sich daher die Frage auf, woher dieses Nicht-Darstellen von Erlösung rührt.
Eine Deutungsmöglichkeit wäre, dass die affirmative Behandlung eines romantisch-phantastisch aufgeladenen Sujets heute tabuisiert erscheint, was auch mit dessen Rezeptionsgeschichte zusammenhängt. Das jedoch beträfe nicht nur den Holländer, sondern Wagners Oeuvre insgesamt. Wagner selbst bekennt in seiner Schrift „Mitteilungen an meine Freunde“ (1851), dass das Konzept der erlösenden Frau im Holländer nicht klar genug artikuliert sei. Erst nach seiner Rezeption der Feuerbachschen Philosophie, konkreter: der Idee einer Menschwerdung durch liebende Selbstaufgabe, konnte ein solches Figurenkonzept schärfere Konturen gewinnen.
Dokumente, worin Wagner sein Konzept einer szenischen Darstellung des Erlösungsgedankens im Holländer festgelegt hätte, sind nicht vorhanden, bis auf die Regieanweisungen im Libretto sowie in der Partitur. Wie solche Hinweise zu realisieren sind, bleibt indes offen; denn als Idealität entzieht sich Erlösung einer szenischen Konkretion. Erst als Wagner unter dem Einfluss Schopenhauers die Darstellung von Erlösung ins Medium der Musik übertrug, sah er sich auf dem richtigen Weg, etwa in der Spätfassung des Holländers (1860) mit ihrem sogenannten Tristan-Schluss. Einen Maßstab für die Gestaltung der visuellen Ebene gibt die musikalische Gestalt allerdings nicht: Wie ein solcher Schluss szenisch zu interpretieren sei, bleibt – wie generell in Wagners Bühnenwerken – in der Schwebe. Zumal die Holländer-Inszenierungen bei den Bayreuther Festspielen verdeutlichen, wie gerade die (Un)möglichkeit einer Darstellung von Erlösung Überschreitungen herkömmlicher Sichtweisen provoziert.