In dieser Arbeit beziehe ich mich auf Theodor W. Adornos Die Aktualität der Philosophie. Dabei fokussiere ich auf das Problembewusstsein des Verlusts der Ganzheit, das Philosophie und Literatur gemeinsam ist, und erläutere die Affinität zwischen beiden. Am Ende möchte ich Adornos Thesen auf die Diskussion der Modernität in der Literatur ausdehnen.
Georg Lukács betrachtet in der Theorie des Romans die Epik geschichtsphilosophisch und formuliert, dass das klassische Epos in der Moderne zum Roman übergegangen sei. Zugleich ging im Roman der modernen Literatur das harmonische Verhältnis zwischen Ich und Welt verloren, das man einst im Epos finden konnte. Deshalb kritisiert Lukács den Roman, weil ihm die Totalität fehle. Eine ähnliche Situation der Ich-Welt-Spaltung war auch in der Philosophie vor sich gegangen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts war die systematische Philosophie, die der deutsche Idealismus ausgebildet hatte, bereits gescheitert. Es war eine drängende Aufgabe für die Philosophie, die Trennung zwischen Idee und Wirklichkeit zu überwinden.
In Adornos Aktualität der Philosophie geht es um ebendieses Problem. In vorliegenden Aufsatz wird untersucht, welche Philosophie in der Gegenwart möglich ist, nachdem die Idee der Ganzheit bereits verloren scheint. Anders als Lukács, der auf der Ganzheit besteht, fokussiert Adorno auf das Fragmentarische und will dadurch den Abgrund zwischen Idee und Wirklichkeit vermitteln. Dabei wird der Begriff der „Konstellation“, die er von Walter Benjamin übernommen hatte, berücksichtigt. Adorno hält dafür, dass es wahre Erkenntnis nicht im unveränderlichen Bild des Ganzen, sondern gerade in der Zusammenfügung fließender Fragmente gebe. Er stellt sich konträr zu der überholten Idee, dass in der Ganzheit die Wahrheit liege.
Wenn die Philosophie in der Vermittlung durch das Fragmentarische die Idee sucht, sollte sie auf die bisherige geschlossene Darstellungsweise verzichten. Adorno betrachtet den Essay als spezifische Form der gegenwärtigen Philosophie. Die Philosophie nähert sich in ihrer Methode der ästhetischen Sphäre. Und die offene Ausdruckform entsteht nicht nur im Bereich der Philosophie, sondern auch im Roman der modernen Literatur. Aus diesem Grund sollte der Mangel an Totalität im Roman, der von Lukács kritisiert wurde, als Modernität der Literatur angesehen werden. Die Form des Romans kann eine Welt projizieren, die im Fortgang der Zeit fragmentarisch geworden ist.