In diesem Aufsatz wird anhand der zwei Begriffe der Thetik und der Kategorik der Status des Subjekts im Deutschen und im Japanischen untersucht. Beide Begriffe wurden im 19. Jahrhundert von den Philosophen Franz Brentano und Anton Marty vorgeschlagen, um mit ihrer Hilfe die subjektlose (thetische) Aussage von der kategorischen Aussage mit Subjekt zu unterscheiden. Brentano und Marty kritisierten die traditionelle Auffassung des Urteils, wonach der Satz aus Subjekt und Prädikat besteht und die daraus gebildete Proposition als wahr oder falsch beurteilt wird. Sie behaupteten im Gegensatz dazu, dass es thetische und kategorische Urteile gibt, wobei im Falle der thetischen Urteile nur das Vorhandensein eines Ereignisses wahrgenommen werde, ohne dass ein Subjekt anzunehmen sei. Ein kategorisches Urteil (Doppelurteil) wird dagegen erst auf der Basis eines thetischen Urteils mit einer Prädikation gebildet. Dieser Ansatz von Brentano und Marty wurde von anderen Philosophen und Linguisten lange außer Acht gelassen. Doch 1972 entdeckte Shige-Yuki Kuroda, ein japanischer Linguist, die Nützlichkeit dieser Begriffe wieder und wandte die Differenzierung der Urteile auf gaund wa-Subjekte im Japanischen an. Nach Kuroda (1972) entspricht ein Satz mit der NP-ga einem thetischen Urteil, in dem ein Sachverhalt dargestellt wird, ohne dass ein Subjekt vorliegt, wie z. B. in „Neko-ga nemutte-iru.“ (Eine Katze schläft.) Dagegen gilt ein Satz mit der NP-wa als kategorisch, da die NP-wa mit einer vom Sprecher erkannten Entität identifiziert, und somit als Subjekt etabliert wird wie in „Neko-wa nemutte-iru.“ (Die Katze schläft.) Auf diese Weise konnte Kuroda zeigen, dass die Unterscheidung durchaus sinnvoll ist, aber er stimmte in einem Punkt nicht mit Marty überein: Eine universalquantifizierte Aussage wie „Alle Dreiecke haben zur Winkelsumme zwei Rechte.“ wäre nach Marty thetisch, weil kein Vorhandensein des Subjekts vorausgesetzt ist. Für Kuroda ist sie jedoch kategorisch, weil das Subjekt mit wa markiert und deshalb präsupponiert wird. In dem vorliegenden Aufsatz wird die pseudokategorische Aussage, in der zwar ein syntaktisches Subjekt vorliegt, die jedoch semantisch als thetisch zu interpretieren ist, wie „Es regnet.“ (Marty 1918), noch einmal überprüft und klar gemacht, dass sich je nach der referentiellen Eigenschaft des Subjekts thetische und kategorische Aussagen herausbilden: Wenn die quantifizierte Domäne kontextuell spezifiziert ist, gilt der Satz als kategorisch, wie z. B. „Jeder Student spricht zwei Fremdsprachen.“
Dieser Aufsatz zeigt ferner, dass im Deutschen mehrere Subjektpositionen anzusetzen sind, um kategorische, thetische oder pseudokategorische Aussagen zu bilden: 1) die SpecCP-Position (das Vorfeld), 2) die SpecIP-Position (die erste Position im Mittelfeld) und 3) die SpecVP-Position (für die thetische Aussage):
1) [CP Spec Gregors Blick [C'[C richtete] sich dann zum Fenster.]] (Kafka, Die Verwandlung): kategorisch
2) [CP Spec Es [C' [C war] an einem Sonntagvormittag im schönsten Frühjahr.]] (Kafka, Das Urteil): thetisch
3) [CP Spec Nun [C hatte] [IP aber Georg seit jener Zeit, so wie alles andere, auch sein Geschäft mit größerer Entschlossenheit angepackt.]] (Kafka, Das Urteil): kategorisch
4) [CP Spec Da [C' [C sind] [IP KÜHE im Garten. ]]] (Abraham 2020): thetisch
5) [CP Spec Es [C' [C sind] [IP [VP viele Soldaten umgekommen.]]] (Abraham 2020): thetisch (mit einem unakkusativen Verb)
Dieser Aufsatz zeigt vor allem, dass sich im Deutschen in pseudokategorischen Aussagen wie z. B. „Es gibt gelbe Blumen.“. eine Diskrepanz zwischen Syntax (Form) und Semantik (Funktion) auftut: Die Kongruenz erfordert das Vorhandensein eines Subjekts, auch wenn es sich semantisch um die Darstellung eines subjektlosen einfachen Urteils in einer thetischen Aussage handelt.