Pierre Bouretz nach, sind Herman Cohen und Martin Buber unter jüdischen Philosophen die wichtigsten, die um den Wechsel von 19. zum 20. Jahrhundert erschienen. In 1916 wurde zwischen ihnen die heftige Kontroverse über Judentum in Gestalt von öffentlichen Briefkontakten ausgetragen. Die Probleme des Staates, der Religion, Nation, Sprache usw. stehen im Zentrum der Diskussion. Die vorliegende Abhandlung beabsichtigt diese nachzusehen und es klarzumachen, wie es mit dem jüdischen Geist dieser Epoche gegangen ist, der von zwei Religionsphilosohen repräsentiert wird.
Cohen ist nicht allein ein berühmter Neukantianer, sondern auch ein liberaler Jude, der „Assimilation“ an die deutsche Gesellschaft fördert. Er nimmt darum gern die vom Staat als wirklicher Grundlage deutscher Juden bestimmte „Nation“ und das „Deutschtum“ als die Verschmelzung vom „Griechentum“ und „Judentum“ auf. Er findet außerdem in „Zerstreuung“ der Juden das Wesen des „Messianismus“, indem er Wörter in Psalmen und Propheten heranzieht. Dagegen ist Buber nicht bloß ein Anhänger des Chassidismus, sondern also ein aggresiver Zionist, der auf „Heimstätten“ ein jüdischen Staat aufzubauen erstrebt. Da er auf die direkte Verbindung zwischen Religion und „jüdischem Volk“ Gewicht legt, lehnt er die staatliche Verwaltung und das Haben des „Nationalgefühls“ ab und wirft liberalen Juden Opportunismus vor. Er meint ferner, daß es unbedingt der „Sammlung“ von Juden bedarf, um ihren eigenen Staat in Palästina zu errichten.
So leugnet der erstere den Zionismus, aber der letztere rechtfertigt ihn. Die beiden Behauptungen scheinen demzufolge sich einander gegenüberzustehen, aber es gibt auch eine Gemeinsamkeit, daß die jüdische Idee in der „messianischen Menschheit“ besteht, die Erlösung der Menschheit und den Frieden zu erstreben. Das ist eben der jüdische Geist der Jahrhundertwende, den die christlichen Gesellschaften in Europa lange Zeit vergessen haben.