Den „Historikerstreit“ (1986) hat man bisher viel diskutiert. Dabei hat man hauptsächlich versucht, festzustellen, auf welchem gedanklichen Standort die Disputanten seien, indem man die Aufmerksamkeit auf ihre Identität richtete. Aber damit wurden die Inhalte der Behauptungen an sich noch nicht genug analysiert und infolgedessen wurden einige Probleme, die sie haben, übersehen.
Um diese Probleme ans Licht zu bringen, fasst die vorliegende Arbeit das Wort „asiatisch“, so nennt Nolte sowohl den Nationalsozialismus, als auch den Kommunismus, ins Auge. Diese Terminologie ist problematisch, weil Hitler das Wort nur auf seine Feinde, z.B. Kommunisten bzw. Juden anwandte und nicht auf sich selbst.
Habermas reagierte kritisch auf Noltes Argumentation. Er nannte Noltes Behauptungen „Natophilosophie“ und erklärte dessen Absicht folgendermaßen: Dieser wolle die nationalsozialistische Vergangenheit verharmlosen, indem er Westdeutschland, das als NATO-Mitgliedsstaat mit den USA und anderen westlichen Staaten gegen den Kommunismus kämpft, beisteht. Das sei ein typischer neokonservativer Standpunkt. In Noltes Behauptungen gibt es jedoch Widersprüche, die man im Rahmen eines neokonservativen Ansatzes nicht fassen kann: Er will den Nationalsozialismus herunterspielen, obwohl er ihn „asiatisch“, gemeint ist barbarisch, nennt. Würde er die Taten der Nationalsozialisten tatsächlich verharmlosen, so müsste er sie als harmlos, oder wie durch Helmut Kohls und Ronald Reagans Besuch der Kriegsgräberstätte in Bitburg beabsichtigt, als überwunden erklären. Warum bezeichnete Nolte also den Nationalsozialismus als „asiatisch“?
Bei Nolte hat das Wort „asiatisch“ zwei Seiten: Eine Positive und eine Negative. Solange es auf die Brutalität, mit der die Nationalsozialisten viele Menschen getötet haben, verweist, ist es natürlich negativ. Solange man aber überlegt, dass die nationalsozialistische Regierung darauf abzielte, den ganzen europäischen Kontinent zu beherrschen („Weltherrschaft“), ist es positiv: Nolte will die Stellung von Westdeutschland innerhalb der NATO nicht unterstützen, sondern im Gegenteil kritisieren. Er behauptet in einem Zeitungsbeitrag (1986): Das Bild, dass der Anspruch Hitlers auf „Weltherrschaft“ ungeheuerlich ist, sei darauf zurückzuführen, dass dem jetzigen Westdeutschland nur die Rolle eines Staates von mittlerer Größenordnung zugeteilt wird. Das heißt, wenn Westdeutschland eine noch größere Rolle übernehme, müsse sich der Anspruch Hitlers auf „Weltherrschaft“ NICHT ungeheuerlich ausnehmen. Problematisch bei Nolte ist nicht der Nationalsozialismus, sondern die damalige Weltordnung und die sie vertretenden zwei Supermächte, bes. die USA, die auf Westdeutschland einen großen Einfluss haben. In demselben Beitrag wird seine Kritik an ihren gigantischen Militärausgaben angedeutet.
Habermas übte an Nolte heftige Kritik, aber die Standorte der beiden Disputanten in Bezug auf die damalige Weltordnung und die Rolle Westdeutschlands sind voneinander nicht so weit entfernt. 1987 äußerte Habermas seine Ansicht darüber folgendermaßen: Die Westorientierung von Westdeutschland sei nach dem zweiten Weltkrieg zwar von außen (d.h. nicht von sich selbst) angewiesen worden, aber sie habe allmählich ihren Wert gewonnen, indem Westdeutschland sich unter dieser Ordnung sowohl wirtschaftlich als auch politisch und sozial entwickelt habe. Für Westdeutschland ist die Westorientierung nicht das Beste, dennoch würde die Verneinung der bestehenden Weltordnung die Verneinung aller dieser Erfolge bedeuten. Habermas reagierte nicht direkt auf Noltes Kritik an den Supermächten, aber eben dieses Nicht-in-Frage-stellen könnte seine Antwort sein. Hier findet man die Gemeinsamkeiten der beiden Seiten, die man nicht durch Aspekte wie Identität und Kaltkriegsschema, sondern durch einen Neuen wie „asiatisch“ fassen kann.