広島ドイツ文学 Issue 32
published_at 2020-01-15

フランツ・フューマン 夢文学の構想

Franz Fühmanns Traumliteratur
Kleinert Tomomi
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Abstract
Franz Fühmann (1922-1984), einer der bedeutendsten Schriftsteller der DDR, führte seit früher Zeit neben seinem Tagebuch auch eine Art Traumtagebuch, in dem er seine Träume notierte. Ziel der Niederschriften war anfänglich nur deren Verwendung zur Selbstanalyse. Die intensivere Auseinandersetzung mit Sigmund Freuds Erkenntnissen hatte ihn dazu geführt, seine eigenen Traumforschung zu entwickeln. Die Theorie gab ihm eine wissenschaftliche Grundlage zur Erklärung des Phänomens Traum, das ihn fortan stark in seinen Bann zog. Fühmanns Nachlass-Bibliothek lässt sein außerordentliches Interesse deutlich werden. Unter den etwa 17000 Büchern haben allein über 1000 einen Bezug zur Psychologie. Er näherte sich dem Traum nicht nur auf psychologischer Ebene, sondern auch über die Literatur - er las beispielweise E.T.A. Hoffmann, Shakespeare, Jean Paul, Georg Trakl.
Als Fühmann sein Werk Zweiundzwanzig Tage oder Die Hälfte des Lebens (1973) verfasste, hatte er seine vergangenen Traumniederschriften erneut gesichtet. Das Buch ist eine Kombination zwischen Tage- und Traumbuch. Wie Wünsche oder Triebe im Traum grenzen- und regellos sind, befreite sich in diesem Werk sein „Es“ als Schriftsteller. Bis zu diesem Zeitpunkt wirkte er als Literat an der Kulturpolitik der DDR mit und beförderte sie. Aber nach der Niederschlagung des Prager Frühlings in der Tschechoslowakei, aus der Fühmann stammte, setzte ein Umdenken bei ihm ein, das ihn der DDR gegenüber deutlich kritischer werden ließ. Zweiundzwanzig Tage oder Die Hälfte des Lebens ist das erste Buch Fühmanns, das nach dem Ereignis erschien, und markiert einen Wendepunkt in seinem Schaffen. Von da an wandte er sich von der Kulturpolitik ab und widmete sich vermehrt seiner L iteratur. Durch das Werk wurde sein Wunsch, ein Traumbuch zu veröffentlichen,greifbarer. Im Jahr 1972 fing Fühmann an, seine Träume auf der Schreibmaschine abzutippen, Historischen Sammlungen der Zentral- und Landesbibliothek zu Berlin Fühmann lebte damals schon lange in der DDR, war aber in Böhmen, in der Vorkriegs-Tschechoslowakei, geboren. Also war ihm Tschechien eine seiner beiden Heimaten. Vgl. Josef-Hermann Sauter: Interview mit Franz Fühmann, S.33. Die Niederschlagung des Prager Frühlings führte bei Fühmann zu einer völligen Ablehnung der Kulturpolitik der SED und der Regierung der DDR. Vgl. Jürgen Krätzer: Die Stasi als Literaturarchiv: Die Wandlung des Franz Fühmann vom „Salomon“ zum „Filou“. In: Einblick in das Herrschaftswissen einer Diktatur – Chance oder Fluch? Plädoyers gegen die öffentliche Verdrängung. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996, S. 95. Für den geistigen Aufbau der DDR forderte die Kulturpolitik die Schriftsteller ihres Landes dazu auf, über das Schaffen und Leben der Werktätigen zu schreiben. Diese Politik hatte zur Folge, dass die Individualität der Schriftsteller bzw. die Freiheit ihres Schreibens inhaltlich beschränkt wurde. Vgl. Wolfgang Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR, S. 86. vermutlich in Vorbereitung eines umfassenderen Traumbuches. Dass dies 1972 erfolgte, ist daran abzulesen, dass er mehrmals die falsche Jahreszahl verwendete. Er schrieb beispielweise 1972 statt 1965. Dieser Fehler wiederholt sich vor allem bei den Träumen von 1965, 1966 und 1967. Fühmann hat demnach etwa 190 Träume in besagtem Jahr abgeschrieben. Parallel dazu zeichnete er weiterhin auch seine jüngsten Träume auf, wodurch ungefähr 60 weitere Traumtexte entstanden und die Gesamtzahl der Träume, die er „lesbar“ machte, für das Jahr 1972 auf zirka 250 anstieg. Im Archiv der Akademie der Künste zu Berlin können über 300 Traumtexte in Schreibmaschinenversion eingesehen werden. Die Mehrzahl seiner Träume enthält Darstellungen seines wildcharakterlichen Triebes und verrät seine nackte Persönlichkeit. Trotz dem Risiko des Zugriffs auf seinen privaten Bereich, fasste Fühmann den Entschluss, seine noch rohen Traumtexte in einem Form zu bringen, die es dem Leser möglich macht, deren Inhalt zu entziffern. 1983 erwähnte er, dass er bisher ungefähr 500 Träume aufgeschrieben habe. Er hat also zwei Drittel davon lesbar gemacht. Sein Mut birgt die Gefahr, dass Intimes nach außen dringt, ebnet aber auch den Weg für neue Möglichkeiten in Bezug auf sein Traumbuch.
Sein erstes Vorhaben der Gestaltung des Werks war es, ein umfangreiches Traumbuch hervorzubringen, das zirka 70 Träume enthalten sollte. 1973 hatte er dessen Inhaltverzeichnis bereits in zwei Versionen skizziert und darüber mit seinem Lektor diskutiert. Das Traumbuchprojekt schien Gestalt zu gewinnen, doch tauchte Anfang 1975 eine Schwierigkeit auf. Er verlor seinen vertrauten Lektor Kurt Batt, der ihm bei der Planung des Buches große Unterstützung geleistet hatte. Nach seinem Tod legte Fühmann die Arbeit an dem Projekt erst einmal nieder. 1975 übergab er dem Hinstorff Verlag einen neuen Plan für ein Traumbuch mit Namen Parna. Es ist eine Mischung aus Träumen und Geschichten. Er bemühte sich zwar um das Erscheinen des Werkes, doch ohne Erfolg. Erst in den achtziger Jahren bekam er wieder eine Gelegenheit, ein Traumbuch zu veröffentlichen. Es handelt sich um sein Buch Dreizehn Träume (1985), verlegt von der Edition Leipzig. Schon an dem Titel wird deutlich, dass es eine weitaus kleinere Fassung ist, als er ursprünglich geplant hatte. Anhand eines Briefes, den er kurz vor seinem Tod an seine zweite Lektorin Ingrid Prignitz verfasste, ist erkennbar, dass Dreizehn Träume zwar sein erstes (und durch sein Ableben letztes) reines Traumbuch, aber nicht sein endgültiges Ziel in Hinblick auf die Ausführung seiner Traumkonzeption war. In dem Brief äußerte er deutlich den Wunsch, letztendlich sein großes Traumbuch herausbringen zu wollen.
Damals war er wegen seiner Krebserkrankung körperlich bereits schwer angeschlagen und ahnte wohl schon, dass sich sein Leben dem Ende zuneigte. Dessen ungeachtet legte er die Feder nicht nieder, sondern beschäftigte sich weiter mit der Traumliteratur. Bis zum Ende reizte und begleitete ihn der Traum in seinem Wirken als Schriftsteller und Mensch. Der Traum avancierte für Franz Fühmann zum wichtigsten Element eines literarischen Schaffens. Shakespeare, Freud, Hoffmann, Trakl, Bergwerk - alle Projekte, in die er sich stürzte, sind eng mit dem Traum verbunden. Für seine Traumkonzeptionen wandte er enorme Zeit und Kraft auf. Bevor er den Gipfel des Traumbergs erreichte, erlosch seine Lebensflamme. Sein Traumbuch blieb somit wirklich ein Traumbuch.
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