ドイツ文学論集 Issue 52
published_at 2019-10-21

〈見えるもの〉と〈見えないもの〉 : クライストの「逸話」について

»das Sichtbare« und »das Unsichtbare« :Über die Anekdoten Heinrich von Kleists
Sugibayashi Noriaki
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Abstract
In einem Brief an seine damalige Verlobte schrieb Heinrich von Kleist: „wenn alle Menschen statt der Augen grüne Gläser hätten, so würden sie urteilen müssen, die Gegenstände, welche sie dadurch erblicken, sind grün ―“. Der Inhalt dieses Briefes zeigt deutliche Bezüge zur sogenannten Kant-Krise auf. Diese „grüne[n] Gläser“ bedeuten meiner Meinung nach eine »Grenze der menschlichen Fähigkeiten«. Im folgenden Beitrag werden Kleists Anekdoten Der Griffel Gottes und Unwahrscheinliche Wahrhaftigkeiten im Zusammenhang mit der genannten Grenze menschlicher Fähigkeiten betrachtet. Dabei geht es darum, wie diese Grenze sich verändert.
In Der Griffel Gottes werden die Buchstaben auf dem Leichenstein der geizigen und grausamen Dame durch einen Blitz teilweise geschmolzen. Daraufhin können die stehen bleibenden Buchstaben zusammengelesen werden und ergeben die Worte „sie ist gerichtet!“ Ohne die Lücke zwischen den Buchstaben zusammenzufügen und sie anagrammatisch zu lesen, kann der Sinn des Satzes nicht entstehen. Aber dieser Sinn selbst enthüllt die Willkürlichkeit des Lesers, d. h. die vorangehende Geschichte in diesen Sinn hineinzuziehen. „Der Vorfall (die Schriftgelehrten mögen ihn erklären) ist gegründet“, so lautet ein Satz im Text. Anhand des Modalverbs „mögen“, das zum einen als Vermutung und zum anderen als Zugeständnis aufgefasst werden kann, darf man den Text folgendermaßen auslegen: Der Autor Kleist nimmt von solcher Willkür Abstand. Mit Bezug auf die Aussage aus dem Brief an die Verlobte kann diese Willkür als »eine Grenze der menschlichen Fähigkeiten« verstanden werden.
In Unwahrscheinliche Wahrhaftigkeiten spricht der alte als Erzähler dargestellte Offizier zuerst über die erste Bedingung der Wahrheit, „dass sie wahrscheinlich sei; und doch ist die Wahrscheinlichkeit [...] nicht immer auf Seiten der Wahrheit.“ In den ersten zwei Geschichten, die die Zuhörer jedoch kaum glauben können, lassen sich die Handlungslücken, die sich zwischen dem Ergebnis der Vorfälle und deren Verlauf ergeben, füllen: anhand der Untersuchung der Wunde durch den Chirurgen in der ersten Geschichte und durch das Experiment mit dem Gefäß in der zweiten. Um die Lücken zu füllen, werden die Vorfälle auf ihre Entstehung zurückgeführt ― mit anderen Worten, es wird eine „Rekonstruktion des Vorfalls“ (Dale Adams) vorgenommen. „Die Gesellschaft“, die wie der Leser in Der Griffel Gottes unter der genannten »Grenze« der menschlichen Fähigkeiten leidet, kann den Vorfall in der dritten Erzählung weder verstehen noch glauben und muss überdies versuchen, „die Quelle der [...] Geschichte“ zu erfahren, weil hier ohne „Rekonstruktion“ erzählt wird.
Darüber hinaus werden in dieser Anekdote »zwei Publika« angesprochen. Das eine ist die oben genannte Gesellschaft, das andere ist „der Landedelmann“. Er interessiert sich nicht für den Inhalt der drei Geschichten, sondern für die Vorankündigung des Offiziers: „»Drei Geschichten [...] sind von der Art, dass ich ihnen zwar selbst vollkommen Glauben beimesse, gleichwohl aber Gefahr liefe, für einen Windbeutel gehalten zu werden«.“ Der Landedelmann wird bewundert, denn der Offizier realisiert seine Vorankündigung. In diesem Prozess hebt der Landedelmann sich als ein Verstehender dieser Vorankündigung von der Gesellschaft ab und umgekehrt wird diese Gesellschaft von dem Erzähler als „die andern“ benannt; d. h. es handelt sich in dieser Anekdote um seine Vorankündigung. Wenn dem so ist, stellt Kleist hier ein so genanntes Gedankenexperiment seiner Dramaturgie an.
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本稿は2018年10月20日に岡山理科大学において開催された日本独文学会中国四国支部研究発表会での発表原稿を加筆修正したものである。
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