Kurz vor dem Durchbruch des Ersten Weltkrieges spaltete sich die deutsche Judenheit in zwei Richtungen (entweder kulturelle Assimilation oder Zionismus) und stand deutlich gegeneinander. In dieser Abhandlung werden die Tendenzen solcher sich gegeneinander spaltenden Juden Deutschlands während des Ersten Weltkrieges dadurch in Betracht gezogen, daß die damalige Beziehung zwischen den zwei jüdischen Organisationen [Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (CV) und Zionistische Vereinigung für Deutschland (ZVfD)] analysiert wird.
Der CV wollte, unter der nationalistischen Situation Deutschlands und dem sog. Burgfriede, seine Treue gegenüber dem Vaterland noch stärker zeigen, weil er es dabei erwartete, dadurch als echte deutsche Mitbürger anerkannt zu werden. Die ZVfD, andrerseits, wurde zur strategischen Linienwechsel gezwungen, um ihre zionistischen Interessen auf die Interessen der Mittelmächte und Türkei einzustellen und dadurch zu propagieren.
Erst am Anfang 1918 konnten die beiden Organisationen zum erstenmal in der Weltkriegszeit über die Rechtsschtzfrage der Juden des Ostens positiv kooperieren. Dabei waren sie beide in eine Sackgasse geraten. Während der CV keine wirksame Abwehrstrategie gegen den unter schlechter Kriegslage und schrechter innerdeutschen, wirtschaftlichen Situation noch stärker werdenden Antisemitismus zeigen konnte, gingen die engrischen Zionisten der ZVfD durch Balfor-Deklaration voran. Aus dem Wunsch, diese Sackgasse-Situation zu überwinden, entstand diese Kooperation durch die Gründung der Vereinigung jüdischer Organisationen Deutschlands zur wahrung der Rechte der Juden des Ostens. Aber keine Kooperation der beiden Organisationen entstand über die Abwehr des noch stärker werdenden Antisemitismus. Eine Ursache dafür wird in dieser Abhandlung darin gefunden, daß die für die ZVfD wirksame Abwehrstrategie gegen den Antisemitismus, d. h. die Schaffung einer autonomischen, gesamtjüdischen Institution Deutschlands, mit der Abwehrstrategie des CVs nie vereinbar war.