広島ドイツ文学 Issue 36
published_at 2024-03-31

『ヴァレンシュタイン』論 人間の道具的利用をめぐって : 歴史書から歴史劇へ ― 異同とその意味

Schillers Wallenstein. Über die Benutzung des Menschen als Werkzeug: Von der historischen Schrift zum historischen Drama
TAKEDA Tomotaka
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Abstract
Zum Regensburger Fürstentag 1630 hat der Kaiser den verdienstvollen Kommandanten Wallenstein, der dem Thron treu gedient hatte, unerwartet abgesetzt. Das von ihm eingeführte Brandschatzungs-System, eine Art Steuerwesen zu Kriegszeiten, hatte das Volk so schwer belastet, dass dessen Beschwerden unwiderstehlich waren. Dabei hatte ihn die fehlende ökonomische Unterstützung vonseiten des Kaiserlichen Hofes zu dieser harten Kriegssteuer gezwungen. Aber alles nur, um den Kaiser groß zu machen! Dessen ungeachtet wälzte der Hof die Verantwortung auf ihn allein ab, wodurch der Kaiser, der Wallenstein als „Werkzeug seiner Herrschsucht“ gebraucht und achtlos hatte fallen lassen, dessen Zorn auf sich ziehen musste. Er spricht sogar zweimal von „aufgeopfert“. Der wieder zum Heldherrn ernannte Wallenstein möchte den Stab „nicht mehr zur Vergrößerung des Einen“, sondern „zur Wohlfahrt aller, zu des Ganzen Heil“ führen. Er sucht den Frieden, aber sein Pazifismus ist eine Antikriegs- und zugleich eine Anti-Kaiser-Haltung. Wallenstein hat sich wegen seines Hochverrats in Verdacht gebracht und dadurch den Befehl des Kaisers, ihn lebend oder tot zu fangen, ausgelöst.
Über den Meuchelmörder Wallensteins und seinen Anlass steht in Schillers historischer Schrift Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs: „Indem der Herzog von Eger aus die Unterhandlungen mit dem Feinde lebhaft betrieb, die Sterne befragte und frischen Hoffnungen Raum gab, wurde beinahe unter seinen Augen der Dolch geschliffen, der seinem Leben ein Ende machte. Der kaiserliche Urtheilsspruch, der ihn für vogelfrei erklärte, hatte seine Wirkung nicht verfehlt, und die rächende Nemesis wollte, daß der Undankbare unter den Streichen des Undanks erliegen sollte. Unter seinen Officieren hatte Wallenstein einen Irländer, Namens Leßlie, mit vorzüglicher Gunst beehrt und das ganze Glück dieses Mannes gegründet. Eben dieser war es, der sich bestimmt und berufen fühlte, das Todesurtheil an ihm zu vollstrecken und den blutigen Lohn zu verdienen.“
Es versteht sich, dass Leßlies Akte die „Streiche(n) des Undanks“ genannt sind. Aber warum ist Wallenstein „der Undankbare“? Das kann durch die folgende Beschreibung, die kurz zuvor erscheint, erklärt werden. „--- an dem Pflichtgefühl seiner Truppen scheiterten alle seine (Wallensteins) Berechnungen. Berauscht von dem Ansehen, das er über so meisterlose Schaaren behauptete, schrieb er alles auf Rechnung seiner persönlichen Größe, ohne zu unterscheiden, wie viel er sich selbst, und wie viel er der Würde dankte, die er bekleidete. Alles zitterte vor ihm, weil er eine rechtmäßige Gewalt ausübte, weil der Gehorsam gegen ihn Pflicht, weil sein Ansehen an die Majestät des Thrones befestigt war. Größe für sich allein kann wohl Bewunderung und Schrecken, aber nur die legale Größe Ehrfurcht und Unterwerfung erzwingen. Und dieses entscheidenden Vortheils beraubte er sich selbst in dem Augenblicke, da er sich als einen Verbrecher entlarvte.“
Er überschätzte sich selbst und beging Hochverrat, indem er alles auf seine eigene Stärke setzte, obwohl sein Glanz auf die Autorität des Kaisers gestützt war.
Der „Undankbare“ ist der Hochmütige. Des Herzogs Schuld ist Hybris, deshalb „die rächende Nemesis“.
Im Drama ist es mit dem Mörder und seinem Beweggrund ganz anders. Buttler, der sich „vom niedern Dienst im Stalle“ zum Chef eines Dragonerregiments emporgearbeitet hat, schwärmt für Wallenstein. Auf dessen Rat hin hat er beim Wiener Hof um den Grafentitel ersucht, wurde aber brüsk abgewiesen, was ihn bitter gekränkt hat. Octavio Piccolomini, der treue Untertan, der den kaiserlichen Befehl ausführen soll, erinnert ihn daran, denn er muss so viele Offiziere als möglich auf seine Seite bringen. Buttler ist der Überzeugung, der Herzog habe sich „mit edler Freundeswärme“ für ihn verwendet. Aber Octavio zeigt ihm einen Brief, in dem sein Empfehler Wallenstein selbst dem Minister rät, Buttlers Dünkel zu züchtigen. Der Herzog wollte Buttler vom Kaiser losreißen, indem er den Hof eine böse Rolle spielen lässt. Der Fürst „hat mit Euch ein schändlich Spiel getrieben. (---) Zum blinden Werkzeug wollt er Euch, zum Mittel verworfner Zwecke Euch verächtlich brauchen“, stellt Octavio fest. Buttler, der den Brief las, war bestürzt, schwer gekränkt, und bekehrte sich zum Anti-Wallenstein.
Ob der Brief echt oder falsch ist, muss überprüft werden, denn in Räuber, Kabale und Liebe und Don Karlos haben fingierte Briefe große Rolle gespielt haben. Vom Text aus ist das nicht eindeutig zu ent-scheiden. Aber in der Geschichte des dreißigjährigen Kriegs beschreibt Schiller, wie Wallenstein mit Oberst Illo das gleiche Spiel spielt, mit dem er im Drama Buttler betrügt. Er habe „auch die niedrigsten Mittel nicht verschmäht, (---) die Zahl seiner Anhänger zu vermehren“, heißt es dort. Ohne diese Umstände wäre die Buttler-Geschichte im Drama nicht denkbar. Die kritisierende Beurteilung „die niedrigsten Mittel“ in der historischen Schrift hat im Drama, so lässt sich annehmen, in der Buttler-Handlung konkrete Formen angenommen.
Wenn die Vermutung richtig ist, so wurde der Herzog im Drama für die frevelhafte Benutzung des Menschen als Werkzeug bestraft. Hier ist keine Rede mehr von Hybris und „Nemesis“.
Übrigens ist der dramatische Wallenstein in der Tat bedächtiger als der historische. Er spricht mit sich selbst: „Du willst die Macht, / Die ruhig, sicher thronende erschüttern, / Die in verjährt geheiligtem Besitz, / In der Gewohnheit festgegründet ruht, / Die an der Völker frommem Kinderglauben / Mit tausend zähen Wurzeln sich befestigt.“ Er glaubt, die „fromme Treue“ beschütze ihn am sichersten. Den zaudernden Herzog hetzen Illo, Herr und Frau Terzky zur Ausführung des Plans auf. Es ist aber auch nicht zu übersehen, dass von Wallenstein in seinem Monolog die Struktur der Kaisersmacht analysiert und deren Geheimnis an den Tag gebracht worden ist. Dann ist der Hochverrat nicht mehr Undank noch Hochmut, sondern Unbedacht.
Beachtet soll es werden, dass sich Buttler an Wallenstein rächt aus demselben Motiv, aus dem heraus dieser sich an dem Kaiser rächen wollte, weil der ihn als „Werkzeug seiner Herrschsucht“ benutzt und weggeworfen hat. Buttler meint: „Die Menschen wußt er (Wallenstein), gleich des Brettspiels Steinen, / Nach seinem Zweck zu setzen und zu schieben, / Nicht Anstand nahm er, andrer Ehr und Würde / Und guten Ruf zu würfeln und zu spielen.“ Von der willkürlichen Instrumentalisierung anderer wird sowohl der Herzog wie der Untergeordnete unabhängig von Stand und Status gleich gekränkt. Könnte man im anscheinend düstern Dramenende, im Negativbild, nicht die Idee der Demokratie, der Gleichheit der Menschen Rechte und Würde und das Ideal der Freiheit aller Menschen erkennen?
In Schillers Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen liest man: „In dem ästhetischen Staate ist alles – auch das dienende Werkzeug ein freier Bürger, der mit dem edelsten gleiche Rechte hat, und der Verstand, der die duldende Masse unter seine Zwecke gewalttätig beugt, muß sie hier um ihre Beistimmung fragen. Hier also, in dem Reiche des ästhetischen Scheins, wird das Ideal der Gleichheit erfüllt“
Der Text sagt letztendlich dasselbe aus wie Die Menschenrechte Erklärung der Französischen Revolution:
„Menschen werden frei und gleich an Würde und Rechten geboren und bleiben es.“ Die Revolution scheiterte an der Jacobinischen Schreckensherrschaft. Aber die Die Menschenrechte Erklärung wird nicht geleugnet. Zu deren Verwirklichung waren Revolutionäre und Bürger noch nicht genug kultiviert, noch nicht reif dazu. Vom Krisenbewusstsein getrieben hat Schiller zur Verfeinerung der Menschen den Briefformaufsatz verfasst.
Uns interessiert, dass der zitierte Text nicht die Benutzung des Menschen als Werkzeug selbst verneint, sondern nur die willkürliche gewalttätige Instrumentalisierung des Menschen, obwohl Schiller als Kantianer bekannt ist und Kants berühmten Kategorischen Imperativ “der Mensch sei Selbstzweck, nicht als Mittel zum Zweck zu benutzen“ weiss. Schiller glaubt: Bei der Benutzung des Menschen solle der rechte Mann an der rechten Stelle sein, man solle auch des dienenden Menschen Veranlagung, Willen, „Ehr und Würde“ achten.
In Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs findet man den Ausdruck „ein treffliches Werkzeug“. Kardinal Richelieu, der französische politische Führer der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, beabsichtigt zur Schwächung des Rivalenlands Österreichs die Absetzung Wallensteins. Denn mit „dem General, der sie zum Sieg geführt hatte, verloren die österreichischen Armeen den größten Theil ihrer Stärke; ganze Heere konnten den Verlust dieses einzigen Mannes nicht ersetzen. Ein Hauptstreich der Politik war es also, zu eben der Zeit, wo ein siegreicher König (Gustav Adolf) (---) sich gegen den Kaiser rüstete, den einzigen Feldherrn, der ihm an Kriegserfahrung und an Ansehn gleich war, von der Spitze der kaiserlichen Armeen wegzureißen.“ „Zu diesem Geschäfte hatte sich Richelieu in der Person des Capuciner-Paters Joseph (---) ein treffliches Werkzeug auserlesen.“ Die Tätigkeiten des französischen Intriganten, der für die Deutschen überaus verabscheuenswert sein musste, beschreibt Schiller fröhlich nicht ohne Bewunderung. Darin sieht er möglicherweise die staatskluge Staatskunst, an der es den deutschen Politikern mangelt.
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